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Confidence!

30/07/2024  BY  Nicoletta Schaper


Bricht ein neues Zeitalter an? Fest steht: Das Selbstverständnis der Frauen wandelt sich. Hin zu mehr Selbstbestimmtheit, die sich in ihrer Mode zeigt, bis hin zu der Kommunikation und Bildsprache der Marken. Was steckt dahinter?

Text: Nicoletta Schaper. Fotos: Marken

Sie beweist ihr Gespür für den Zeitgeist: Sarah Richardson, ehemals Fashion Creative Director des Document Journal, launcht das neue Format Beyond Noise. Damit will sie nichts weniger, als das traditionelle Frauenmagazin modernisieren, über die immer gleichen Inhalte wie Mode, Beauty, Social und Celebrity hinaus. Denn, so sagt die Londoner Stylistin: „Die moderne Frau ist so viel mehr als das.“

Dass sich das Frauenbild wandelt, findet vor allem in der Mode ihren Ausdruck. Die Looks? Sie zeigen Confidence und Content. Statt in Bohemien-Romantik zu schwelgen oder dem immer gleichen sexy Frauenklischee zu folgen, kontern sie mit minimalistischer Eleganz, Understatement und Coolness aus der Sportswear. Allen voran The Row, oversized und genderfluid: The Frankie Shop mit breitschultrigen Blazern, Plan-C mit dem Spiel geometrischer Formen oder Sofie D’Hoore, androgyn und sophisticated. Das sind Wow-Looks, die sehr lässig herüberkommen und zugleich Funktionalität und Pragmatismus offenbaren. „In der Hektik des modernen Lebens kleiden wir uns zunehmend zwanglos, bequem und selbstbestimmt“, sagt Daniela Cipolli, Gründerin der Kollektion Floor. „Wir wollen morgens bei der Arbeit bis zum abendlichen Aperitif gut angezogen sein, ohne das Outfit wechseln zu müssen.“

Ebenso erfährt die Konfektion ihr notwendiges Makeover. Oft werden noch die üblichen Klassiker im bewährten Formenkanon rezitiert, doch unbedingt moderner wirken Tailoring, wenn strenge Konturen aufgelöst werden, zum Beispiel durch Layering, neue Schnittführung und fließende Materialien bei Carven, Givenchy oder auch Forte Forte, oder mit Street- und Workwearelementen bei Fendi. So wird ganz beiläufig auch Sexyness neu definiert: Diese Mode ist viel mehr sexy by brain als sexy by the body.

Mindset

Der Schlüsselbegriff heißt Quiet Luxury für Mode, die möglichst zeitlos und in der Spitze des Marktes kompromisslos hochwertig ist. So hat sich auch die Bedeutung von Luxus gewandelt: weg von verschwenderischer Opulenz, hin zu mehr Wertschätzung der Natur und ihren begrenzten Ressourcen. Entsprechend zeigen Modemarken mehr Haltung. Wie die nachhaltige Brand Another Tomorrow von Vanessa Barboni Hallik, für die jetzt Angelina Jolie als strategische Beraterin an Bord ist – ein Commitment zu einer Marke, die ihre Zielgruppe mit klarer Bildsprache und inhaltlicher Transparenz anspricht und so zeigt, dass sie sie ernst nimmt. „Nachhaltigkeit wird als Befriedigung der Bedürfnisse der Gegenwart definiert, die Fähigkeit, ohne künftige Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“, kommuniziert die Marke. „In Anbetracht des Klimas, in dem wir uns sowohl politisch als auch ökologisch befinden, bedeutet das für uns, die Bedürfnisse von heute zu erfüllen und gleichzeitig die Grundlage für ein anderes Morgen zu schaffen.“

Die Tendenz? Sie geht hin zu einem verantwortungsvollen und bewussten Konsum, mit kleineren Kollektionen. So wird Seafarer mit Statement-Pieces, Classics und Essentials konzipiert, die unkompliziert kombinierbar sind, sodass sie sich dem Leben moderner Frauen anpassen und nicht umgekehrt. Mit weniger Teilen, dafür genau den richtigen – vorgedacht, um das Leben und die Entscheidungen für die Konsumentinnen zu vereinfachen. Das ist Easy-to-Wear im besten Sinne.

Von Frauen, für Frauen?

Wenn diese Mode nun mehr auf die Frauen zugeschnitten ist, wird sie heute auch mehr von Frauen gemacht? Nach wievor sind sie auch als Modemacherinnen unterrepräsentiert. Laut McKinsey wurden 2018 weniger als 50 Prozent aller Kleidungsstücke von Frauen entworfen und in den Führungsebenen der großen Modehäuser sitzen nur 14 Prozent Frauen an der Spitze. Zahlen, die sich bis heute nicht signifikant geändert haben dürften. Umso gefeierter sind Frauen wie Miucca Prada und Phoebe Philo, deren Personenkult an den von Jil Sander heranreicht. Sie sind, wie auch Louise Trotter für Carven und Sofie D’Hoore, Identifikationsfiguren und Vorbilder für künftige Designerinnengenerationen.

Persönlichkeit

Es geht in einer komplexen, zunehmend Daten getriebenen Welt umso mehr um Identifikation und Persönlichkeit. Die Bildsprache der starken Womenswearmarken setzt auf Frauen mit Charakter, der sich umso mehr offenbart, je mehr Lebenserfahrung sie gesammelt haben. Das Comeback der Supermodels aus den 1990er-Jahren ist nur ein Beleg, Isabella Rosselinis gefeierter Auftritt für Pucci, Christy Turlington bei Ralph Lauren bis hin zu Maggie Smith für Loewe. Die Botschaft findet einen breiten Konsens: Wow, sind diese Frauen cool! Auch Brands wie Twinset gewinnen mit Sienna Miller in ihrer Kampagne. Ja, Mode steht für Träume, aber es wird ein vielschichtiges und auch realistischeres Bild von Frauen gezeichnet.

Kaufkraft

Es ist nur folgerichtig, die ältere Zielgruppe zu adressieren. „Die Gen X und die Baby Boomers haben die wahre Kaufkraft, nicht die nächste Generation“, titelte das Branchenmagazin BoF. „Denn es sind nicht die 20-Jährigen, sondern Frauen zwischen 45 und 65 Jahren, die auf der Höhe ihrer Kaufkraft sind und die sich in diesem Alter oft von der Arbeit mehr zurückziehen, was ihnen umso mehr Zeit zum Shoppen gibt.“ Andere Frauen dieses Alters starten beruflich noch mal durch, etwa weil die Kinder aus dem Haus sind, und wollen für ihren Alltag Womenswear, die vielseitig einsetzbar ist und mit der sie sich identifizieren können. Auch das Gros der Kundinnen der Stores Mix in Mantua und Salò ist ab 45 Jahre alt. „Es sind Frauen, die ihre Identität gefunden haben und sich in Mode, die nicht laut ist, wiederfinden: weg von Logos, hin zu hochwertigen, möglichst natürlichen Materialien und zu einem Look, der Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt“, sagt Morena Gandini, die The Row, Margiela Maison, Sportmax und Marni zu ihren Marken zählt. Es sind Frauen, deren Identität die minimalistische Womenswear nur hervorhebt, anstatt dass ihnen eine andere übergestülpt wird. Vielleicht haben sie sich damit von einem eindimensionalen Schönheitsbegriff, den die Mode so lange unreflektiert propagiert hat, emanzipiert. Denn es ist deutlich spürbar: Diese Grenzen zu sprengen, bringt nicht nur Freiheit, sondern setzt auch neue Kreativität frei.

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