Es gibt Menschen, die mit ihrer Vision die Welt verändern – zumindest ein kleines Stück davon. Kristyan Geyr war so ein Mensch. Gemeinsam mit Karl-Heinz Müller und Wolfgang Ahlers gründete er im Jahr 2001 die legendäre Bread & Butter. Doch Messe? Das Wort wird diesem Projekt kaum gerecht. Bread & Butter war ein Statement, ein Festival, ein pulsierender Treffpunkt für Streetwear, Denim und Urban Fashion, wie es die Branche bis dahin nicht kannte. Wer dabei war, weiß, dass es nicht nur eine Messe war – es war eine Bewegung.
Kristyan Geyr hat die Modebranche im Stillen geprägt, bei einem Unfall auf Ibiza Ende Oktober ist er verstorben. Karl-Heinz Müller, Mitbegründer der Bread & Butter, hat uns einen sehr persönlichen Brief an seinen langjährigen Weggefährten zur Verfügung gestellt. Ein ehrlicher, bewegender Rückblick auf eine Partnerschaft voller Höhen und Tiefen, voller Mut und Kreativität. Eine Freundschaft, die sich erst in den letzten Jahren wieder richtig gefunden hat.
Wir danken Karl-Heinz Müller, dass wir diesen Text unverändert veröffentlichen dürfen.
Ein persönlicher Nachruf von Karl-Heinz Müller an Kristyan Geyr
(Unverändert veröffentlicht)
Lieber Kristyan,
wir kannten uns nur flüchtig zu Kölner Zeiten, trotzdem war ich sehr von Dir beeindruckt. Deshalb warst Du der Erste, dem ich im Frühjahr 2001 von meiner Idee, eine Mode Messe zu machen, erzählt habe. Du warst vom ersten Moment an ‚angezündet’, hast daran geglaubt, hast sofort Deine Kreativität und Deine Kontakte mit eingebracht, dann hast Du Wolfgang mit ins Boot genommen.
Im Frühsommer 2001 haben wir dann gemeinsam unser Unternehmen gegründet. Die Namensgebung unserer Veranstaltung war ein ‚typischer Kristyan‘. Wir hatten uns frühmorgens zu einem ‚Brainstorming’ im Noodles Showroom im Kölner Hafen verabredet. Wolfgang und ich waren schon da, Du kamst zu spät. Du hattest ein frisches Sauerteigbrot unterm Arm und leckere Fassbutter. „He Jungs, ihr habt sicher noch nicht gefrühstückt“, waren Deine Worte. Es war das beste Frühstück der Welt, der Name unserer ‚Tradeshow‘ war geboren.
Im Juli 2001 fand die erste ‚Bread & Butter – tradeshow for selected brands‘ in Köln im ‚Dreieckigen Rundbau‘ statt. So etwas hat die dekadente Modewelt noch nicht gesehen, wir haben alles auf den Kopf gestellt, Industriehalle, statt Messegelände, feinste Restaurants, statt ‚Messe-Bockwurst’, top DJ’s, statt Lärm und Aufzugmusik, Du, statt Sie, erst in Köln, dann in Berlin, später in Barcelona und wieder in Berlin.
Die ‚Bread & Butter‘ war keine, der üblichen Modemessen. Es war ein Festival, ein großes Treffen von Gleichgesinnten. Immer mehr haben sich uns angeschlossen, ein Jeder wollte dabei sein, alle wollten mitmachen. Jede Saison haben wir aufs Neue ein ‚Klassentreffen der Modebranche‘ auf die Beine gestellt.
Wir haben all unsere Ideen in die Tat umgesetzt. Wir waren verrückt, Kristyan, Du warst der Verrückteste von uns. Bis heute erzählt sich die Modewelt die wildesten Geschichten rum um die Bread & Butter. Unsere Partys sind bis heute legendär.
Kristyan, Du hast der Bread & Butter Deinen Stempel aufgesetzt. Ohne Dich, Deine dicke Kamera, mit der Du die besten Bilder gemacht hast, Deine Craziness, Deine Liberalität, Deine Kontaktfreudigkeit zur den unglaublichsten Menschen, wäre die Bread & Butter niemals zu dem geworden, wovon die ganze Modewelt noch heute schwärmt.
Trotz unseres Erfolgs kam es zu Zerwürfnissen, 2009 letztlich zu unserer Trennung. Das war ein großer Fehler, es hätte niemals passieren dürfen. Nach etlichen sehr erfolgreichen Veranstaltungen auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof, musste ich im Dezember 2014 Insolvenz anmelden.
Ja, natürlich gibt logische Gründe, die Branche hat sich grundlegend verändert, online – Handel, Vertikalisierung, virales Marketing etc. Blabla…
Es wäre aber auch unsere Chance gewesen. Kristyan, Du hast sehr früh die Zeichen der Zeit erkannt. Letztlich hat Deine Vision gefehlt. Mir allein ist es nicht gelungen, Bread & Butter in eine neue, die nächste Dimension zu überführen. Stattdessen habe Ich mich im Kleinklein der konkurrierenden Berliner Messeveranstalter, aber auch mit dem eigenen, immer größer werdenden, letztlich unbeherrschbaren Mitarbeiterstab und der Geschäftsführung eines großen Unternehmens aufgerieben.
Das Ende war unausweichlich.
Nach einer langen Eiszeit zwischen uns, haben wir in den letzten Jahren wieder zueinander gefunden, eigentlich intensiver denn je. Da waren sie wieder, die irren Ideen, die Kreativität, dieses über allem schweben, wenn wir uns getroffen haben. Es hat sich wieder etwas zusammengebraut, wir hatten wieder etwas vor, unser Kontakt wurde wieder regelmäßiger. Die Sehnsucht wieder etwas zusammen zu schaffen, wurde immer größer. Aber die Existenzängste unserer eigenen Unternehmen, 14 oz. und Noodles, Noodles & Noodles ließen uns leider keinen Raum.
Lieber Kristyan,
wir wollten immer nochmal unsere Story verfilmen. Ich hätte Dir die Hauptrolle gegeben, Robert de Niro (Noodles, Du weißt schon …).
Es gibt leider kein Happy End. Es ist so furchtbar traurig.
Ich bin froh und dankbar, dass wir wieder zueinander gefunden haben.
Wir hatten eine tolle Zeit zusammen, es war ein Rausch, ein Traum, es war surreal, sicher die beste Zeit unseres Lebens.
Ich vermisse Dich, Du verrückter Kerl.
Ruhe in Frieden, mein Freund.
Dein
Karl-Heinz