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Braun Hamburg

„Streetwear hat viele Türen geöffnet“

13/01/2025  BY  Janaina Engelmann-Brothánek


Ein eigener Tiktok-Kanal ist nur eine der Überraschungen, die Lars Braun für uns bereithält. Als CEO von Braun Hamburg ist er die prägende Figur der Männermode in Deutschland. An seiner Meinung führt kein Weg vorbei, wenn es um die Einflüsse der Streetwear in diesem Marktsegment geht. Ein Gespräch über Sneaker, Authentizität und Preis – und über Krawatten.

Text: Janaina Engelmann-Brothánek. Fotos: Braun Hamburg

Packen wir das Thema beim Schopf: Wie hat sich die Menswear in den letzten Jahren entwickelt?

Lars Braun, CEO Braun Hamburg: Sie hat sich stark verändert. Das wird aber intensiver wahrgenommen, als es tatsächlich ist. Sicher gibt es viele innovative Designer und starke Trends, aber ich würde bezweifeln, dass der Endverbraucher all die Innovationen in seinen Kleiderschrank übernimmt. Neue Produkte wie Broken Suits, Hemdsakkos, kurze Jacken, weite Jeans haben das Thema Menswear ein Stück weit revolutioniert, das stimmt.

Kommt Braun als Instanz für formale Menswear überhaupt an dem Thema Streetwear vorbei?

Ich kann mich dem nicht entziehen und will es auch gar nicht. Ich denke, es ist wichtig, diese Entwicklung durch die eigene Linse zu filtern und sein Sortiment sorgfältig zu kuratieren. Einige Einzelhändler neigen dazu, den Kontakt zu ihren Kunden zu verlieren und jeden Trend unüberlegt zu übernehmen. Das ist nicht gesund. Streetwear hat viele Türen geöffnet, sodass der Look auch in formellen Umgebungen seinen Platz gefunden hat. Der Erfolg des E-Commerce fußt definitiv auf der Casualisierung.

Wie hoch ist der Anteil des Onlineumsatzes bei Braun Hamburg?

Derzeit kommen ca. zwei Drittel unseres Umsatzes aus dem Onlinehandel. Das bedeutet, dass wir unser Sortiment kuratieren müssen, um keine Artikel aufzunehmen, die vielleicht nicht unserem Stil entsprechen.

Gibt es Brands, die zum Must Buy geworden sind?

Auf jeden Fall. Marken wie Moose Knuckles und Maison Kitsuné zum Beispiel. Früher hätte ich mich nur schwer mit dem Gedanken anfreunden können, Turnschuhe von Marken wie Golden Goose zu verkaufen. Ich hätte mir auch nie vorstellen können, dass das Geschäft mit hochwertigen Schuhen, das einst florierte, auf das reduziert werden könnte, was wir heute sehen. Obwohl es herausfordernd ist, haben wir uns schnell an das neue Szenario angepasst.

Welche Produkte und Looks sind das gelungenste Sinnbild für die Verschmelzung der Streetwear und der Formalwear?

Ich denke, dass Sneaker eines der erfolgreichsten Beispiele für diese Fusion sind. Wir sprechen hier nicht von den extravaganten Bouncer Sneakers von Balenciaga, sondern von einem Look, der auch mit Sportschuhen elegant ist. Ein weiterer interessanter Trend sind Jacken mit Kordelzug, die einen innovativen und technischen Touch verleihen. Dieser Stilmix kommt vor allem aus der Hip-Hop- und Streetculture der 1990er-Jahre.

Und welche Marke?

Eine schwierige Frage. Vielleicht Stone Island. Sie liegen irgendwo zwischen Streetwear und Workwear, mit einer bedeutenden Heritage dahinter. Nur sehr wenige Brands haben es geschafft, eine so starke, transversale Identität aufzubauen. Sie haben auch die Bedeutung der Gender-Frage verstanden: Es gibt eine Menge Frauen, die Stone Island tragen. Das ist ein wirklich interessanter Look.

Wie nutzen Sie soziale Medien, um mit Ihren Kunden zu kommunizieren?

Traditionell verlässt sich unser Kunde auf unseren Service, aber inzwischen kommt er extrem gut vorbereitet zu uns. Er kennt die Marken, die neuesten Kollaborationen und die Trends aus den sozialen Medien. Das zwingt uns dazu, unser Team auf dem Laufenden zu halten und auf die Bedürfnisse eines sich schnell entwickelnden Marktes zu reagieren. Wir wissen, wie wichtig es ist, relevant zu bleiben. Unser E-Commerce ist sehr gut etabliert und in Zukunft werden wir auch einen Kanal auf Tiktok eröffnen (müssen).

Apropos Tiktok: Was halten Sie vom Grandpa-Style?

Der Grandpa-Look erlebt ein riesiges Comeback und mit ihm die Krawatte, die Weste und der Anzug. Besonders spannend ist, dass Trends wie dieser die Krawatte und den Anzug immer mehr zu einer Stilentscheidung als zu einer Verpflichtung machen. Nehmen Sie zum Beispiel die Krawatte: Sie wird weiterhin getragen, aber eher zum Vergnügen und nicht aus Notwendigkeit. Das Gleiche gilt für Accessoires wie Einstecktücher. Manschettenknöpfe sind hingegen wirklich out.

Über Tiktok erreichen Sie auch eine Klientel, die sehr preissensitiv ist. Wie reagieren Sie darauf?

Der richtige Preis ist eine reale Herausforderung. Er ist einfach zu stark gestiegen. Ein Cashmere-Pullover für 1.200 Euro ist schlicht nicht tragbar. Unser Ziel ist es, Qualitätsprodukte zu angemessenen Preisen anzubieten. Ein guter Cashmere-Pullover sollte zwischen 300 und 400 Euro kosten und ein hochwertiges Hemd nicht mehr als 170 Euro. Wenn sich einige Marken nicht an diese Preisniveaus anpassen, werden wir immer mehr unsere eigenen Kollektionen implementieren müssen – wir haben das richtige Know-how und die Mittel dafür.

Es geht also wie so oft um die richtige Balance – auch in der Stilfrage?

Natürlich. Ein Comeback von starren, engen Kleidungsstilen halte ich für unwahrscheinlich, genau wie den Überfluss an Hoodies und Sneaker, der in den letzten Jahren vorherrschte. Es geht vielmehr um die Evolution hin zu einem stilvollen, funktionalen und komfortablen Look, der verschiedene Richtungen vereint. Braun Hamburg wird diesen Wandel aktiv begleiten, indem wir Produkte anbieten, die diesen Fortschritt widerspiegeln.

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