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„Traditionelle Banken werden vorsichtiger, das ist das Momentum der Fintechs“

03/07/2024  BY  Martina Müllner


Finanzierungslücke? Mit der lokalen Bank kaum noch zu schließen – berichten immer mehr Modehändlerinnen und -händler. Eine Nische, die Payment Provider für sich entdeckt haben. Ein Gespräch über die Zukunft der Finanzierung mit Mollie-Managing Director DACH Annett Polaszewski-Plath.
Traditionelle Banken ziehen sich zunehmend aus dem Handel zurück, insbesondere der Modehandel mit seinen vielen prominenten Insolvenzen hat die traditionellen Financiers dieser Branche vorsichtiger gemacht. Auch wenn es keine offizielle Kreditwarnung für Handels/Modehandelsunternehmen gibt, berichten uns viele Modehändler*innen im DACH Raum von deutlich verschärften Bedingungen, an Kredite oder Warenzwischenfinanzierung heranzukommen. Selbst solvente Unternehmen müssen deutlich mehr Sicherheiten bringen. Ist das nicht ein Moment für Fintechs, New Banking und moderne Zahlungsanbieter, um diese Nische für sich zu erobern?

Annett Polaszewski-Plath, Managing Director Mollie: Die deutsche Modebranche sowie der Textileinzelhandel stehen derzeit in der Tat unter erheblichem Druck. Dies liegt zum einen an den weiterhin anhaltenden Auswirkungen der sich nur langsam abschwächenden Inflation und zum anderen am Fachkräftemangel, der die Branche weiterhin belastet. Vor allem die Verbraucher  reagieren nach wie vor auf die wirtschaftlichen Unsicherheiten, indem sie ihr begrenztes Budget mit Bedacht verwalten und sich oft auf notwendige Anschaffungen beschränken. Das wirkt sich wiederum direkt auf die Umsätze der Einzelhändler aus. Auch der GfK Konsumklima Report vom Jahresbeginn dämpft die Hoffnung auf kurzfristige Verbesserung der Verbraucherstimmung, denn das Konsumklima hat sich nach kurzem Aufschwung im Dezember sogar wieder verschlechtert. Wir in unserer Rolle als Finanzdienstleister beobachten die veränderten Bedingungen im Handelsumfeld natürlich genau und sehen verstärkt bei unseren Kunden, dass traditionelle Banken zunehmend vorsichtiger werden. Da sehe ich tatsächlich ein großes Momentum für Fintechs. Sie haben die Möglichkeit, innovative Lösungen zu entwickeln, um diese Lücke zu füllen und den sich ändernden Bedürfnissen der Modehändler gerecht zu werden. Es gibt also definitiv Chancen für Fintechs, in diesem Markt zu wachsen und einen zunehmend positiven Einfluss zu entwickeln. Ein Beispiel für eine innovative Lösung, die wir im letzten Jahr eingeführt haben, ist Mollie Capital. Es bietet flexible und kurzfristige finanzielle Unterstützung für Händler. Gerade in Zeiten, in denen traditionelle Banken vorsichtiger werden, ist es für Modehändler entscheidend, ihren Cashflow aufrechtzuerhalten. Durch die schnelle Bereitstellung von Kapital können wir dazu beitragen, dass Unternehmen nicht in eine geschäftsschädigende Lage geraten, während sie mehrere Wochen auf die Bewilligung eines traditionellen Kredits warten.

Als Zahlungsanbieter kennt man seine Händlerinnen und Händler ja außergewöhnlich gut und in einer Datentiefe, auf die traditionelle Banken gar keinen Zugriff haben. Macht das den Zahlungsanbieter nicht ohnehin zum geeigneteren Partner in allen Finanzierungsfragen und Finanzdienstleitungen?

Als Zahlungsanbieter haben wir tatsächlich einen umfassenden Einblick in die Geschäftsabläufe unserer Händler. Wir verfügen über umfangreiche Daten, die es uns ermöglichen, die individuellen Finanzierungsbedürfnisse unserer Kunden genau zu verstehen. Im Vergleich zu traditionellen Banken können wir aufgrund dieser Datenanalyse und unserer agilen Geschäftsmodelle deutlich flexiblere und vor allem schnellere Finanzspritzen anbieten. Unsere enge Beziehung zu den Händlern und unser Verständnis für ihre geschäftlichen Herausforderungen machen uns deshalb zu einem idealen Partner für alle Fragen rund um Finanzierung und Finanzdienstleistungen.

Nun kommt mit KI ein großer neuer Hebel in die Nutzung von Daten: Was früher nur rückwärtsgewandt verwendet werden konnte, kann dank Predictive-Technologien auch in die Zukunft gerichtet werden. Wie unterstützt hier Technologie und Technik einen Wandel im Umgang mit Geschäftsmodellen?

Der Einfluss von KI nimmt allgemein enorm zu – ein Phänomen, das sich sowohl in der Modebranche als auch im Fintech-Sektor wiederfindet. Wir können beobachten, wie innovative Unternehmen bereits unterschiedlichste Anwendungsfelder definiert haben und KI-Tools sowohl für interne Prozesse als auch für verbesserte User Experiences ihrer Kunden nutzen. Durch den Einsatz von KI-Lösungen können wir große Datenmengen noch schneller und präziser analysieren, wodurch wir auch in der Bereitstellung der passenden Lösung für den jeweiligen Kunden die Prozesse nochmal klar beschleunigen konnten. An dieser Stelle ist es wichtig zu betonen, dass wir bei der Nutzung von KI sowohl generative KI- als auch traditionelle ML-Modelle berücksichtigen. Generative KI bietet vielversprechende Möglichkeiten, insbesondere im Bereich der Kundeninteraktion und der Vorhersage von Trends und Entwicklungen. Dennoch dürfen traditionelle ML-Modelle nicht außer Acht gelassen werden, vor allem wenn es um die spezifischen Herausforderungen geht, denen insbesondere Fintechs gegenüberstehen. Diese Herausforderungen umfassen die Einhaltung strenger regulatorischer Vorschriften sowie die Gewährleistung der Datensicherheit. Zudem müssen Fintechs sicherstellen, dass ihre Technologien reibungslos in bestehende Finanzsysteme integriert werden können. Kürzlich haben wir zum Beispiel MollieGPT eingeführt, ein generatives KI-Modell, das auch komplexe Kundenanfragen in Echtzeit beantwortet. Darüber hinaus entwickeln wir zusammen mit unseren Experten aus den Bereichen Operations, Commerce und Product ML-Modelle, um Betrugs- und Integritätsrisiken zu mindern, finanzielle Verluste zu vermeiden, Kundenabwanderung zu reduzieren.

In Mollies Mission-Statement steht, dass gute Ideen viel zu oft durch finanzielle Bürokratie am Wachsen gehindert werden – für europäische Firmen ein entscheidender Wettbewerbsnachteil im internationalen Vergleich. Welche Maßnahmen würden hier mittelfristig helfen?

Als Finanzdienstleister, der im Sinne seiner Kunden agiert, ist es wichtig, innovative Finanzierungslösungen anzubieten, die den Zugang zu Kapital für europäische Unternehmen erleichtern. Mittelfristig können Maßnahmen wie die Einführung flexibler Kredit- und Finanzierungsoptionen dazu beitragen, den Wettbewerbsnachteil durch übermäßige Bürokratiehürden zu verringern. Zudem müssen verstärkt neue Technologien, wie eben KI, eingesetzt werden, um zentrale Prozesse zu beschleunigen. Wir sind außerdem davon überzeugt, dass die engere Zusammenarbeit mit Regulierungsbehörden zur Schaffung transparenterer und effizienterer Rahmenbedingungen beitragen würde.

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